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Begriff der Spurweite bei Schienenbahnen
Für Schienenfahrzeuge ist der heutige Begriff der Spurweite am klarsten definiert durch die Vorschriften der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (Fassung vom 17. Juli) 1928, § 9) und die Technischen Vereinbarungen (Fassung 1930, § 2): "Die Spurweite ist das lichte Maß zwischen den Schienenköpfen, 14 mm unter der Schienenoberkante und senkrecht zur Gleisachse gemessen".
Die Messung 14 mm unter der Schienenoberkante ist darin begründet, dass der Schienenkopf nach § 15 der Technischen Vereinbarungen mit 14 mm Radius abgerundet sein muss. Außerdem ist eine Neigung der Schienen nach innen von allgemein 1 : 20 allgemein üblich, besonders auch in England. Sie ist schon in § 18 der "Grundzüge" des Vereins Deutscher Eisenbahnverwaltungen von 1850 vorgeschrieben. Schon 1841 war bei der Bayerischen Staatsbahn diese Neigung üblich; in Krümmungen war nur die Außenschiene geneigt, aber 1 : 18. Die Main-Neckar-Bahn gab 1846 den Schienen eine Neigung von 1 : 40. Die Belgische Staatsbahn baute 1887 ihre Gleise ohne Schienenneigung [6].
Abweichend von der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung bestimmte § 5.1 der Straßenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 13. November 1937: "Die Spurweite ist das lichte Maß zwischen den Schienenköpfen 9 mm unter der Schienenoberkante und senkrecht zur Gleisachse gemessen" .
Für die Vereinigten Staaten von Nordamerika war die durch die 1874 angenommene Norm (Wheels & Track of the American Railway Association) wie folgt umrissen: "Gage of track is the shortest distance between the herds of the track rails" . Heute wird der Begriff der Spurweite ausgelegt wie in Locomotive Cyclopedia 1930, S. 49, beschrieben: "Gage (track). The distance in the clear between the heads of the rails of a railroad; 4' 8 1/2" is the standard gage; if greater than this by more than 1/2 in. is a broad gage; if smaller a narrow gage". Die Einbeziehung einer Spurweite von 4' 8 1/2" plus 1/2" = 4 ' 9" beruht darauf, dass dort jahrzehntelang eine Vermittelungsspur von 4' 9'' gegolten hat. Diese dürfte aber wohl restlos zugunsten von 4 ' 8 1/2'' verschunden sein, denn das Universal Directory 1937/31 gibt für alle nordamerikanischen und kanadischen Bahnen fast ausschließlich 4' 8 1/2'' an. Ausnahmen gibt es, z.B. bei der Pacific Coast & Philadelphia Rapid Transit Line.
Doch hat nicht von jeher die lichte Entfernung der Schienenkanten als Maß der Spurweite gegolten, obgleich diese schon zu Stephensons Zeiten in England allgemein so gemessen wurde. Frankreich übernahm nämlich für seine ersten Bahnbauten zwar ungefähr die englische Spurweite, aber in dem klassischen Lande des metrischen Systems - dieses ist in Frankreich 1799 amtlich eingeführt worden [7] - wurde wohl das englische Maß von 4' 8 1/2" = 1435 mm als zu krumm - wir würden heute sagen: als nicht normgerecht - empfunden. Man nahm daher als Spurweite das Maß von Mitte zu Mitte Schienenkopf mit 1500 mm an. Wer der Urheber dieser vom Normungsstandpunkt aus elegant erscheinenden Lösung war, ist nicht bekannt. Vielleicht geschah es auch nur im Anschluss an das damals für Landfahrzeuge übliche Maß.
Da die Schienenköpfe etwa 50 mm breit waren, ergab sich für Frankreich seinerzeit eine lichte Spurweite von 1450 mm, also etwa das englische Maß von 1435 mm. Aber eines hatte man nicht bedacht, nämlich dass die Schienen allmählich schwerer, ihre Köpfe breiter und damit die lichte Spurweite immer kleiner wurden. Man sah die Unzweckmäßigkeit des Mittenmaßes ein und ging auch in Frankreich etwa in den 1850er Jahren für die Spurweite zum Lichtmaß über. Die Folge war aber, dass die Spurweite der französischen Bahnen nicht einheitlich war, sondern schwankte. Auch heute ist die Spurweite in Frankreich im allgemeinen etwas größer als 1435 mm und zwar bis zu 10 mm.
Man spricht von der Spurweite auch als Spurmaß, doch sollte man mit Spurmaß richtiger nur eine Messvorrichtung zur Nachprüfung der Spurweite bezeichnen.
Die oben erwähnte Begriffsbestimmung der Spurweite lässt sich übrigens nur auf ein zweischieniges Gleis bei innenliegenden Spurkränzen anwenden. Innenliegende Spurkränze sind fast ausnahmslose Regel, sowohl als altes Herkommen als auch aus Sicherheitsgründen. Denn Seitenstöße führen hier dazu, das Rad noch fester auf die Achse zu pressen, während sie bei außenliegenden Spurkränzen das Rad von der Achse abzustreifen versuchen und daher betriebsgefährdend wirken können.
Trotzdem kommen außenliegende Spurkränze auch bei zweischienigen Gleisen vor, mindestens ist ein solcher Fall in England nachweisbar. Bei Einschienenbahnen sind außenliegende Spurkränze naturgemäß die Regel.
Auch gibt es in der Bahnanlage der Zuckerfabrik in Clützow (Pommern) ein Beispiel von doppelten Spurkränzen bei zweischienigen Bahnen. Radsätze, bei denen ein Rad einen doppelten Spurkranz aufweist, das zweite Rad hingegen bei breiterer Lauffläche ohne Spurkranz ausgebildet ist, werden oft bei Standseilbahnen verwendet, um an der Ausweiche in Streckenmitte auf bewegliche Weichenteile verzichten zu können.
Man könnte im weiteren Sinne als Spurweite die lichte Entfernung derjenigen Schienenkanten betrachten, denen die Führung der Spurkränze obliegt. Das würde bedeuten, dass man mathematisch bei außenliegenden Spurkränzen die Spurweite als negativ anzusehen hätte.
Ähnliche Vorgänge wie in Frankreich scheinen auch in Italien wirksam gewesen zu sein. Jedenfalls geben amtliche Mitteilungen der italienischen Staatsbahn 1445 mm als Spurweite an, die auch durch Angaben bei einzelnen älteren Lokomotivlieferungen gestützt werden. In Berichten italienischer Kleinbahnen finden sich noch in den 1880er Jahren mehrfach um 50 mm größere Spurweitenangaben als die heutige lichte Weite dieser Bahnen, so 900 mm statt 850 mm, 1000 mm statt 950 mm, ja sogar 1500 mm statt 1445 mm.
Auch andere Staatsbahnen weisen 1939 noch andere Spurweiten als die von 1435 mm auf: so die Griechische Staatsbahn mit 1440 mm und die Chemin de fer Algerien de l'Etat.
Anmerkungen
6) Haarmann, Das Eisenbahn-Geleise. Leipzig 1891, S. 441, 495, 526.
7) A. Blind, Maß-, Münz- und Gewichtswesen (Slg. Göschen). Eingeführt wurde das metrische Maßsystem in Frankreich schon am 7. April 1795 als metre legal et provisoire.
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