Heft Nr. 41

Aug/Sept. 2010

Die Topthemen:
 

Online kaufen
ThemaSeite

Über Altenbeken. Bis zu 50 „umgeleitete“ Güterzüge täglich und manchmal sogar mehr mussten bis zum Frühjahr 1958 in Altenbeken die Fahrtrichtung wechseln, um von Hannover nach Kassel zu gelangen (und umgekehrt).

4

»Wie ein Wartehäuschen« Der Enkel des Architekten Paul Bonatz wehrt sich gerichtlich gegen einen Teilabriss des Stuttgarter Hauptbahnhofs.

18

Kriegsbeute im Revier. Um dem Wagenmangel abzuhelfen, wurden im Zweiten Weltkrieg Fahrzeuge aus allen von deutschen Truppen besetzten Ländern ins Reich geholt. Im Ruhrgebiet traf man viele davon.

24

Neue Maßstäbe. Anmerkungen zum frühen E-Betrieb bei den Preußischen Staatseisenbahnen.

28

Dampf und Drehstrom. Eisenbahn-Erinnerungen: der Bahnhof Bozen Mitte des vorigen Jahrhunderts.

42

Die Stärkste unter den Kleinen. Vom Bau und den Anfangszeiten der Berninabahn, Teil IV: die Lokomotive Ge 6/6 Nr. 81 von 1916.

50

Eisenbahn-Vielfalt. Ein Besuch im Museum Neu-Delhi.

58

Der weite Weg nach Westen. Anfang 1945 flüchteten Menschen (und Maschinen) aus Schlesien vor dem Ansturm der Roten Armee. Die heutige DGEG-Lok  BLE 146 kam so aus Maltsch nach Bornhöved in Holstein.

62

Poesie der Schiene. Erinnerung an Hans Baluschek, Eisenbahnmaler in Berlin.

68

 Literatur

Baur: Die elektrischen Nahverkehrstriebwagen der Deutschen Bahn (W. Klee)

Kirchner, Toth, Villanyi: Die Wiener und Wiener Neustädter Lokomotivfabriken von Georg Sigl (ungarisch) (G. Krause)

Strohmann: Das Empfangsgebäude des Detmolder Bahnhofs und sein Fürstenzimmer (Garrelt Riepelmeier)

Rezensionen

Es ist noch keine Bewertung vorhanden.

Jochen Fink, 15.08.2010


Der weite Weg nach Westen - DGEG ELNA 146
Ein sehr spannendes Thema, wenn auch im vorliegenden Fall auf etwas schwachen Beinen aufgebaut.
Die Geschichte der Evakuierung der Kleinbahn Jauer - Maltsch ist durch Aktenüberlieferung sehr gut nachvollziehbar:
Die Betriebsführungsgesellschaften der Aktiengesellschaft für Verkehrswesen in Berlin – vornehmlich die Lenz & Co, Allgemeine Deutsche Eisenbahn Gesellschaft (ADEG) und Deutsche Eisenbahn Gesellschaft AG (DEGA) - versuchten gegen Kriegsende mit Näherrücken der Fronten im Westen und Osten Personal und Fahrzeugmaterial der in Frontnähe geratenden Bahnen vor Gefangennahme, Zerstörung und Erbeutung durch die Alliierten zu schützen. Jede gefährdete Bahn hatte bereits frühzeitig eine Schwesterbahn zugeordnet bekommen, wohin die Fahrzeuge mit Belegschaft evakuiert werden sollten.
Diese Anlaufpunkte lagen für die in Schlesien gelegenen Bahnen Anfang 1945 westlich der Oder und Neiße bei den dortigen von Lenz & Co bzw. der ADEG betriebsgeführten Bahnen. Erst ab Frühjahr 1945 wurde von beiden Gesellschaften erwogen die Evakuierungen bis zu Konzernbahnen in den späteren westlichen Besatzungszonen durchzuführen. Hierzu kam es aber nicht mehr, da der schnelle Vormarsch der Amerikaner und Briten aus Westen und der Sowjetunion aus Richtung Osten die geplanten Verlagerungen nicht mehr zuließen
Eine eigeninitiierte Flucht mit Wahl des Fahrzieles und Zeitpunktes war den Bahnverwaltungen somit nicht möglich, da die Flucht erst nach Genehmigung durch die zuständige NSDAP-Parteistelle oder Kreisverwaltung möglich wurde. Da die Durchhalteparolen der Nationalsozialisten einen frühzeitigen Rückzug unmöglich machten erfolgten die Evakuierungen der schlesischen Bahnen häufig buchstäblich in allerletzter Minute. Ein Beispiel dafür ist auch die Kleinbahn Jauer – Maltsch:
Am 25. Januar 1945 wurde Bahnverwalter Dietsch der Kleinbahn Jauer – Maltsch vom Reichsbahnhof Maltsch über die von der Reichsbahndirektion Breslau mit sofortiger Wirkung erfolgte Sperrung der Kleinbahn unterrichtet. Auf der Kleinbahnstrecke sollten zunächst drei Reichsbahnzüge mit einer Länge von jeweils etwa 700 Metern abgestellt werden. Da Nebengleise und Abzweiggleise der Kleinbahn eine ungenutzte Kapazität von etwa 3500 Metern aufwiesen konnte Dietsch nach telefonischer Rücksprache mit dem Vizepräsidenten der RBD Breslau die Sperrung vermeiden, so dass auch am 26. Januar 1945 am frühen Morgen nochmals ein Zugpaar auf der gesamten Strecke Jauer – Maltsch verkehren konnte.
Unterdessen hatte die Front bereits das nur in vier Kilometern Luftlinie von Maltsch gelegene Leubus erreicht, die Oderbrücke bei Leubus war bereits von der Wehrmacht gesprengt worden. Die Parteistelle in Maltsch hatte um 08.00 Uhr bekannt gegeben, dass Maltsch ab 11.00 Uhr geräumt werden sollte. Gleichzeitig wurde die Kleinbahnstrecke erneut für die Abstellung von Reichsbahnzügen aus Arnsdorf (Bez. Liegnitz) von der RBD Breslau gesperrt.
Umgehend wurde von der Bahnverwaltung der Räumungszug bestehend aus den drei vorhandenen Dampflokomotiven 22, 141 und 142, vier Personen-, einem Pack- sowie zwei eigenen Güterwagen zusammengestellt. Die Fahrt sollte über Maltsch und Liegnitz nach Wehrkirch zur Kleinbahn Horka – Priebus – Wehrkirch als vorgesehenem Evakuierungsziel erfolgen. Da die vorgesehene bzw. erwogene Evakuierung der Städte Maltsch und Liegnitz die Kapazitäten auf der vorgesehenen Reichsbahnstrecke bereits band konnte diese Fahrtroute nicht eingeschlagen werden. Nach erneuter Rücksprache mit dem Vizepräsidenten der RBD Breslau konnte Bahnverwalter Dietsch erreichen, dass die Kleinbahn unter Zugnummer 3547 ohne Lotsengestellung über Jauer ausfahren durfte. Dies war möglich, weil die vorgesehene Abstellung der Reichsbahnzüge noch nicht erfolgt war. Der Räumungszug wird daher über Hirschberg, Lauban und Kohlfurt die Kleinbahn Wehrkirch (Horka) – Rothenburg – Priebus erreicht haben. Am 03. Februar 1945 stand der Räumungszug zusammen mit dem der Kleinbahn Lüben – Kotzenau auf Bahnhof Sänitz.
In beiden Räumungszügen befanden sich neben dem Kleinbahnpersonal auch deren Angehörige, so dass in Sänitz 50 Personen aus dem Lüben - Kotzenauer und 105 Personen aus dem Jauer‘ Räumungszug Unterkunft finden mussten.
Das Personal von JM setzte sich neben dem Verwaltungs- und Büropersonal zusammen aus 7 Mitarbeitern für Bau und Streckenunterhaltung, 4 Lokführern, 2 Zugbegleitern und 3 Stations- und Abfertigungsbeamten. Von diesen 16 Beamten wurden die Mitarbeiter der Rotte zunächst bei der Kleinbahn Wehrkirch – Rothenburg - Priebus in der Streckenunterhaltung eingesetzt. Die Lokführer wurden bereitgehalten, um den Zug gegebenenfalls jederzeit weiterbefördern zu können oder bei anderen Konzernbahnen auszuhelfen.
Anfang Februar 1945 forderte der Landrat des Kreises Jauer die Rücküberführung der Betriebsmittel und des Personals nach Jauer, da die Räumung des Kreises noch nicht erfolgt war und der russische Vormarsch zunächst gestoppt worden war. Der Räumungszug verließ daraufhin Sänitz mit Fahrtziel Maltsch, erreichte seinen Bestimmungsort sogar, kehrte aber nicht mehr auf die heimatliche Strecke zurück. Nachdem ein erneuter Einsatz auf der Kleinbahn aussichtslos war wurde der Räumungszug zunächst zur Niederlausitzer Eisenbahn nach Herzberg überführt und anschließend durch die nach Görlitz ausgelagerte Betriebsabteilung Breslau der Lenz & Co am 14. Februar 1945 zum Weitertransport zur Kleinbahn Kiel – Schönberg verfügt. Bei der Niederlausitzer Eisenbahn verblieben daraufhin etliche der Kleinbahnbediensteten aus Jauer zur Unterstützung der Bediensteten der NLE. Auf dem Weg zur Zwischenstation Löbejühn der Eisenbahn Nauendorf – Gerlebogk erfolgte am 19. Februar 1945 kurz vor dem Ziel ein Tieffliegerangriff bei Wallwitz im Saalkreis bei dem ein Lokführer getötet wurde. Auch die Fahrzeuge trugen teilweise schwere Schäden davon: Die Lokomotive 141 wurde durch 14 Geschosseinschläge betriebsunfähig geschossen, Lok 22 trug zerschossene Dampfablasshähne davon und die Personenwagen teilweise erhebliche Wagenkastenschäden. Somit konnte lediglich die unbeschädigt gebliebene Lok 142 JM die vorgesehene Reise nach Kiel antreten und verließ Nauendorf Richtung Kiel über Halle am 16. März 1945.
Die beiden anderen Dampfloks 22 „Eilse“ und 141 verblieben nach Reparatur in Löbejühn zunächst bei der Nauendorf-Gerlebogker Eisenbahn.
Die Lok 146 JM wurde vor Kriegsende gelegentlich in Kiel verwendet, nach Kriegsende war wegen des dramatisch gesunkenen Güterverkehrs der Einsatz der Lok nicht mehr erforderlich, da beide Kieler Lenz-Eisenbahnen auch nach Rückgabe anderer Leihloks noch genügend eigene Dampfloks zur Verfügung hatten. Die Lok wurde daher in Kiel hinterstellt, lediglich im März 1946 wurde die Lok an 15 Tagen eingesetzt. Die fällige Hauptuntersuchung wurde durchgeführt und erst nach Ablauf der Fristen an im Krieg erworbenen Eigentumsloks der Kieler Bahnen wurde die ELNA 1947 wieder bei der Kleinbahn Kiel – Schönberg in Betrieb genommen.
Die Lok blieb dabei auch nach 1945 Eigentum der Kleinbahn Jauer – Maltsch, da die Gesellschaft weiterhin bestand und für den Einsatz der Lok Miete erhielt. Damit wurden Forderungen der Betriebsführerin verrechnet, denn der Betriebsführungsvertrag mit Lenz & Co lief ungekündigt formal noch weiter. Der Verkauf der Lok erfolgte erst mit Liquidation der Kleinbahn AG Jauer – Maltsch.
Ich hoffe, dass diese Angaben als Ergänzung zum Beitrag in Eisenbahn-Geschichte Nr. 41 für Sie von Interesse sind und würde mich bei einer Veröffentlichung über die Zusendung eines Belegexemplares sehr freuen.

Mit freundlichen Grüßen

Jochen Fink


Ihr Beitrag:

Neuer Eintrag

Ihr Name
Ihre e-Mail Adresse
Ihre Bewertung
Ihre Rezension*


*sind Pflichtfelder
Bitte hier einloggen:Log In
Zuletzt aktualisiert von am 19.12.2007, 10:06:25.